Grimstad Social Media

Erasmus Social Media Ambassador WiSe 22/23

Tanja Nündel

Master Information Engineering,

berichtet von der Universitet i Agder, Campus Grimstad

Nach der Weihnachts- und Neujahrspause bin ich direkt wieder zurück nach Norwegen gefahren, ich mache noch ein Semester! Warum aufhören, wenn es am schönsten ist? 

Norwegen und die Frühgeschichte - der Bereich von der Bronze- bis zur Wikingerzeit hat mich immer fasziniert und es gäbe kaum einen anderen Ort, um sie so großartig nachzuleben. Seit Jahren bin ich Reenactor und mache historisches Rollenspiel, da konnte ich natürlich die Gelegenheit nicht auslassen, ein paar Fotos in einem passenden Outfit zu machen und ganz viele Museen und historische Orte zu besuchen. Dabei z.B. das @arkeologiskmuseum Stavanger, das @historiskmuseumoslo und den alten Versammlungsplatz Tingvatn beim @fornminneparken - alle mit tollen Objekten zur Bronze-, Völkerwanderungs- und Winkingerzeit. Wikingerhelme hatte übrigens keine Hörner […]. Meine Klamotte ist übrig komplett selbstgemacht, inklusive der Ledersachen.

Isbading, gå på ski, gå på skøyter, juleshopping - Eisbaden, Langlauf (und natürlich generell Skifahren), Schlittschuhlaufen und Weihnachtsshopping. Typisch norwegische Winteraktivitäten, in meinem Fall vielfach unterstützt durch preisgünstiges Equipment aus dem Second-Hand-Laden, denn mindestens ein Paar Ski gibt es hier in jedem Haushalt. Man sagt, Menschen in Norwegen werden mit Skiern an den Füßen geboren und in der Tat habe ich schon einen Professor dabei beobachtet, wie er zur Vorlesung darauf anreiste. Sprachlich unterscheidet man u.a. zwischen gå på ski (Langlauf - "auf Skiern gehen"), stå på ski (Abfahrt - "stehen"), spezifischer slalåm (Slalom), und hoppe på ski (Skisprung). Auch das Eisbaden hilft zwischen den Prüfungen, einen kühlen Kopf zu bewahren und erfrischt auch dort im Gehirn, wo Kaffee nicht mehr hinkommt.

Kurz bevor letzte Woche Dienstag mein letzter Covidtest plötzlich zwei Streifen hatte, war ich noch umgezogen. Raus aus dem Wohnheim, rein in die Natur, in ein kleines, rot-weißes Holzhäuschen am Rande eines Dorfes bei Grimstad, direkt an Wald und Küste. Nun muss ich zwar mit dem Auto zur Uni, aber wohne mit einer Mit-Erasmusstudentin auf dem Grundstück einer norwegischen Familie, die viel segelt, Kajak fährt und werkelt. Wir hatten Glück, dass wir uns hier so gut isolieren konnten, so waren die ersten Genesungsspaziergänge zum Meer (200m entfernt) kein Problem. Dass dabei direkt noch leckere Pilzmahlzeiten rumkamen, umso besser. Ein Traum geht hier für mich damit in Erfüllung, in einer kleinen Hütte in der Natur zu wohnen!

Mit julebrus am Kamin konnten wir es uns also für anderthalb Wochen gemütlich machen und warm eingepackt auskurieren. Auch in Norwegen steigen die Zahlen wieder, allerdings gibt es hier bisher keine Maßnahmen. Maske trägt schon sehr lange niemand mehr, Corona ist ein kaum noch wahrgenommenes Problem. Jetzt heißt es wieder zurück ins Unileben nach der Zwangspause!

Was gibt es schöneres als ordentlich Schnee im Winter? Zwar ist der mittlerweile wieder abgetaut, aber für zwei Tage hatte die norwegische Südküste wunderschönes Winterwetter, bei uns mit über 30 cm Neuschnee in einer Nacht und einer eingepuderten Holzhütte. Konnte ich am Dienstag nicht in die Unibibliothek, weil die Dorfstraße noch nicht geräumt war? Vielleicht. Habe ich stattdessen erstmal Schneeengel und einen Winterspaziergang gemacht? Definitiv!

Gar nicht so einfach zu fotografieren, das Nordlicht! Am Sonntag und Montag war es so weit und Grimstad erstrahlte in grün-violetter Schönheit meine erste Aurora Borealis, hoffentlich nicht meine letzte. Fotografisch war es übrigens sogar über Kiel sichtbar.

Dass die kalte Jahreszeit beginnt, erkennt man in Norwegen vor all am Nebel, dem vielen Regen, dem schlagartigen Anstieg des Heißgetränkekonsums und den Veränderungen im Supermarkt. Für das Nationalgericht Fårikål (Schaf in Kohl) gibt es überall Lammfleisch und Weißkohl und auch das Phänomen der Julebrus (Weihnachtsbrause - schmeckt irgendwie wie Energy mit Root Beer) taucht in jedem Supermarkt auf. In dieser Zeit sitze ich vor allem viel zum Lernen und Arbeiten in der Uni. Meine Master-Kurse sind sehr arbeitsintensiv und anspruchsvoll, dabei wird das Semester in vielen Kursen zweigeteilt: ein Theorie-/Übungsblock in der ersten Hälfte und Gruppenprojekte im zweiten Teil. Mit meinen Kommiliton*innen treffe ich mich dazu regelmäßig, um die vielen Aufgaben zu bewältigen.

Pro-Tipp für euren Auslandsaufenthalt: hängt euch an die Leute vom Erasmus Student Network! Ob es um Infos zu Uni und Studium, neue Kontakte oder organisierte Events geht, es lohnt sich auf jeden Fall. Letztes Wochenende habe ich gemeinsam mit 150 anderen Internationals einen Trip nach Stavanger und zum Preikestolen unternommen. Vom Preikestolen-Basecamp ging es bei 4 Grad und Regen/Hagel die 300 m herauf bis zum atemberaubendsten Anblick, den ich je gesehen habe. Tusen takk, @esnuia!

International campus life! Seit dem Einzug der meisten Internationals in die Wohnheime ("Bolig") organisiert hier vor allem das Erasmus Student Network (ESN) neben den Begrüßungstagen allerlei Freizeit - Wanderungen z.B., natürlich mit Beerenpflückerei in der Natur rund um Grimstad! Das Veranstaltungszentrum Bluebox direkt auf dem Campus ist hier oft Ausgangspunkt: Konzerte, Clubbing, Quizzes, Spieleabende, Waffle Wednesday, das Norsk Café zum Norwegisch lernen oder auch der berühmte stadtweite Pubcrawl, zu dem sich verkleidet wird und Studis in Gruppen Aufgaben lösen müssen. Grimstad ist zwar eine kleine Stadt, aber das studentische Leben existiert, floriert und wird von uns Internationals neben der Uni natürlich sehr genossen!
 

Die UiA ist mit über 14000 Studierenden auf jeden Fall eine der größeren und auch älteren Universitäten Norwegens. Vor der Verbindung diverser Colleges im Jahr 1994 bestanden einige bereits seit 1839. Der Hauptcampus Grimstad, komplett um den modernen, zentralen Lichthof mit Mensa, Bibliothek, Lernbereichen und Sitzecken aufgebaut, beheimatet vor allem die Fakultäten für Informations- und Kommunikationstechnologie, die Ingenieurswissenschaften und die Gesundheitsfächer. Ca. 4000 Studierende leben und lernen auf dem Hügel in der südlichen Stadt.

 

[Aber] Realtalk: die andere Seite des Auslandssemesters, über die auch gesprochen werden sollte.
- es passiert: viel am Handy hängen, um daheim verbunden zu bleiben - Lösung: direkt Freunde zu sich einladen, um ihnen das neue Leben zu zeigen! […]
- gleichzeitig neue soziale Beziehungen aufbauen, was immer mit Unsicherheit verbunden ist. Gerade als International ist es unglaublich wichtig, in der Anfangszeit den Anschluss nicht zu verlieren. Pro-Tipp: möglichst viele Veranstaltungen (ESN, Sport, Ausflüge, Parties) mitmachen!
- neue Routinen für den eigenen Alltag zu finden, kann schwierig sein, dann kann es hilfreich sein, sich mit Leuten zusammen zu tun für feste Arbeitszeiten und Freizeittreffen.
- der simple Kulturschock. Wie, ich muss beim Arzt für 5 min Konsultation und Überweisung 212 Kronen zahlen? Am besten Locals zu Kultureigenheiten befragen.
- manchmal fühlt man sich beim Arbeiten und Lernen im eigenen Wohnheimzimmer schlicht einsam und isoliert - ab in die Bibliothek und Lerngruppen bilden! Oder raus in die Natur, in schöner Umgebung lernt es sich auch gut.
- die Locals können schwieriger zugänglich sein, gerade in Skandinavien eine Eigenart - Netzwerke wie Buddysysteme und ESN helfen!

Nicht alles läuft immer rosig, nicht alles neue ist großartig, ein Umzug in ein fremdes Land bedeutet auch immer: Zoll zahlen, an Energie und Zeit, sich umzustellen. […] Aber man weiß, dass es üblicherweise besser wird, wenn man akzeptiert, dass es diese Phasen gibt und man sich dabei behelfen kann.
 

Momentan versuche ich, noch so viel wie möglich meiner Zeit draußen zu verbringen, bevor es kälter, nasser und dunkler wird. Die norwegische Natur hält noch eine Menge an kostenlosen Leckereien bereit, vor allem die letzten Beeren der Saison (Blaubeeren, Preiselbeeren, Brombeeren). Die Pilze sprießen jetzt gerade wie verrückt - eine gute Alternative zum teuren Supermarkt! Mehrmals die Woche sammle ich aktuell welche, um sie entweder zu leckeren Gerichten wie Risotto und Rührei zu verarbeiten oder trockne sie für später. Vor allem Stein- und Butterpilze wachsen hier überall.
Geführte Pilztouren machen es sehr einfach, nach und nach mehr Arten identifizieren zu können. Sicherheitshinweis: esst niemals Pilze, Pflanzen und Beeren, die ihr nicht zu 100% korrekt und zweifelsfrei bestimmen könnt!

Grimstad im Landesteil Aust-Agder gilt mit seinen nur ca. 13 500 Einwohner*innen, den landestypischen Holzhäusern und der vielen Natur (wunderschön Schären!) um die Stadt als eine "Perle Südnorwegens". Ich hätte es, was die Größe betrifft, auch kaum schöner treffen können, denn nahezu alles ist fußläufig oder mit dem Rad (sehr gute Radwege!) schnell erreichbar. Der felsige Strandpark Groos, mein neuer Lieblingsplatz direkt in Wohnheimnähe, wurde direkt in meiner ersten Nacht hier zur Übernachtung genutzt, inkl. herzhaftem Frühstück.

Von einer kleinen, norwegischen Küstenstadt darf man jetzt kein pulsierendes Nachtleben erwarten, aber die Studierenden hier wissen definitiv zu feiern, wie ich [noch] berichten werde.